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Das Dorf der acht Grabsteine (Yatsuhaka-mura)

IMDB/OFDB

Japan, 1977

Regie: Yoshitaro Nomura

Tatsuya Terada arbeitet als Fluglotse und fristet ansonsten ein eher zurückgezogenes Dasein. Seinen Vater hat er nie kennengelernt und seine Mutter verstarb als er noch ein Kind war. Eines Tages stößt er auf eine Suchanzeige in der Zeitung, die genau auf seine Person zutrifft. Er nimmt Kontakt auf und sieht sich bald seinem unbekannten Großvater gegenüber, der ihn in das Heimatdorf seiner Mutter mitnehmen möchte. Dazu kommt es aber erst gar nicht, denn noch während des Treffens verstirbt der Alte, an einer Strychninvergiftung, wie sich später herausstellt. Zusammen mit der Ortsansässigen Miyako macht er sich dann doch auf den Weg in das Dorf, in der Hoffnung, dort seinen Vater zu treffen oder zumindest etwas über ihn zu erfahren.

Dort angekommen erfährt er bald den eigentlichen Grund seines Kommens. Das Oberhaupt seiner “Familie”, des wohlhabenden Tajimi-Clans, ist nämlich tödlich erkrankt, und als einziger männlicher Nachkomme der Clanältesten soll Tatsuya sein Erbe antreten. Bald merkt er, dass die Sache auch einen Haken haben muss, denn im Rahmen der Trauerfeier gibt es weitere Tote, ebenfalls durch Vergiftung, und Tatsuya erfährt nebenbei auch mehr über die düstere Vergangenheit des Dorfes und des Tajimi-Clans:


Im 16. Jahrhundert kamen acht Samurai auf der Flucht vor ihren Feinden nach einer verlorenen Schlacht in das Dorf. Zuerst fürchteten sich die Einwohner vor ihnen, doch bald wurden die Samurai zu verständigen Bauern und das Dorf erblühte mit ihrer Hilfe, während der feindliche Kriegsherr weiter nach ihnen suchte. Jemand aus der Familie der Tajimis verriet die Samurai, woraufhin sie enthauptet wurden. Seitdem, sagt man, läge ein Fluch auf der Tajimi-Familie, der jede Generation heimsucht und acht  Nachkommen jenes Verräters das Leben nimmt. Tatsuya macht sich auf die Suche nach der Wahrheit und gerät immer tiefer in einen Strudel aus Intrigen, schaurugen Mythen und rivalisierenden Familien. Zu allem überfluss sind bald auch noch die Dorfbewohner hinter ihm her, welche der festen Überzeugung sind, sein eintreffen im Dorf habe den alten Fluch wieder über sie gebracht.


Regisseur Yoshitaro Nomura ist hierzulande bisher wenig beachtet worden, soll aber so einige Klassiker abgeliefert haben. Bekannt ist mir von ihm bisher nur der ein Jahr später entstandene “Dämon“. Auch der war eine herausragende Mixtur aus Drama und subtilem Horror, welcher aber ganz ohne Monster, Geister oder sonstiges übernatürliches Gedöns auskam. Der Horror jenes Streifens kam ausschließlich aus den seelischen Abgründen seiner Akteure und der eindringlichen Inszenierung Nomuras. Da gibt es unbestreitbare Parallelen zu dem hier vorliegenden Film. Der Filmtitel “Dämon” allein bedurfte schon des eigenen Assoziationsvermögens der Zuschauer. Er passt gefühlsmäßig schon wie die Faust aufs Auge, doch lässt der Film offen, wer damit eigentlich gemeint ist, denn alle drei Hauptcharaktere sind brutale Monster, wenn auch aus verständlichen menschlichen Motiven (Geldnot, Enttäuschung, Eifersucht oder einfach Überfordertsein mit der Situation) heraus. Oder sind da doch noch ganz andere Mächte im Spiel?

“Das Dorf der Acht Grabsteine” bedient sich eines ähnlichen Kniffs, denn auch hier gibt es nur einen schmalen Grat zwischen Realität und Einbildung, zwischen übernatürlichen Bedrohungen und menschlichen Abgründen, alten Legenden und echten Leichen im Keller. Er ist aber nicht so Spröde und langatmig (trotz längerer Laufzeit) und für meinen Geschmack bei weitem Unterhaltsamer und Kompakter. Stilistisch ist das ganze ein wilder, in packende und teilweise knallbunte Bilder verpackter Genremix. Er beginnt mit einer Rückblende, die auch aus einem klassischen Samuraischinken stammen könnte und streift dann verschiedene Genres wie Familiendrama und Schauermär, einige blutige Chanbara-Sequenzen sowie eine Whodunnit-Detektivgeschichte sind auch noch an Bord. Die Story ist komplex und bewegt sich über mehrere Zeitebenen, bleibt aber immer nachvollziehbar. Abgerundet wird das ganze durch einen gelungenen Orchester-Score, ganz im Stil amerikanischer 50er-Jahre-Kamellen gehalten, der aber nie zu sehr in die Kitschfalle tappt.

Der Film ist ein echtes Highlight und ein hierzulande lange übersehener Klassiker, der nun endlich bei uns auf DVD erhältlich ist. Hoffentlich folgen noch weitere Filme des Regisseurs, denn jetzt bin wirklich ich angefixt.

Wertung: 9/10

2 Kommentare

  1. Hier kann ich deine Begeisterung nicht ganz nachvollziehen. In den ersten 2/3 des Films war ich zwar auch äußerst angetan von der Kameraarbeit und der allgemein spannend erzählten Schauergeschichte, aber dann folgte leider das vor Logiklöchern und lächerlichen Wendungen strotzende letzte Drittel, mit seinen teilweise haarsträubend billig inszenierten Effekten (die Szenen im Tunnelsystem!). Wäre der Anfang nicht derart edel dahergekommen hätte ich dies vielleicht als liebenswerten Trash wohlwollend durchgewunken, aber so warf mich das Gesehene vollständig aus dem Film heraus. Ich kann dem ganzen daher höchstens 6,5 von 10 Grabsteinen einräumen.

    Na gut, vielleicht sehe ich das auch nur so kritisch, da ich mit DIE BALLADE VON NARAYAMA und ICH WURDE GEBOREN, ABER zuvor zwei wirkliche Meisterwerke des japanischen Kinos gesehen hatte.

    Dein Blog ist übrigens echt gut sortiert! Gerade beim neuen japanischen Film findet man einige unbekanntere Perlen, von denen ich sonst wohl nie gehört hätte.

    Sunday, 17. October 2010 um 18:57 | Permalink
  2. Groschi schrieb:

    Hm… yoa, mit dem etwas planlos inszenierten Ende hast du schon recht, und im nachhinein waren neun Punkte vielleicht auch etwas übertrieben von mir. Aber das ist eh immer so eine Sache mit Höchstbewertungen (und ‘ne 10/10 wird’s in diesem Blog auch nur für unanfechtbare Klassiker geben), es hängt ja auch alles sehr vom ersten Eindruck, der Erwartungshaltung und der eigenen Stimmung beim Filmeschauen ab. Und in dem Moment als ich das Review postete, war ich halt noch ganz gefesselt von den atmosphärischen Qualitäten des Filmes und konnte so ganz locker über das, ganz wie du sagtest, etwas schwache Ende hinwegsehen.

    Monday, 18. October 2010 um 14:09 | Permalink

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