Japan, 1964
Regie: Kihachi Okamoto
Als der alternde Yakuzaboss Daisaku Ona nach drei Jahren Haft erstmals wieder das Tageslicht erblickt, hat sich die Welt um ihn herum verändert. Wie er nun so zusammen mit dem gleichzeitig entlassenen Taro vor der Gefängnistür steht, wird ihm klar dass hier etwas nicht stimmen kann. Es gibt keine Spalier stehenden Kameraden und keine feierliche Prozession, denn niemand außer seinem Sohn ist gekommen um seine Wiederkehr zu feiern. In der ehemaligen Zentrale seiner – inzwischen offensichtlich zum Wirtschaftsunternehmen ausgebauten – Organisation angekommen, wird es noch fischiger. Seine Untergebenen zeigen sich ihm gegenüber seltsam reserviert und das Ruder hat offenbar ein schmieriger Typ namens Yasaburo Yato übernommen, ein verwandter oder bekannter seiner damaligen Geliebten, oder aber einfach ihr neuer Stecher? So sicher ist sich da niemand…
Der ist auf jeden fall jetzt in Daisakus Haus eingezogen und macht nicht den Eindruck, als wolle er seinen komfortablen Posten wieder verlassen. Daisukes Familie hingegen musste in eine kleine alte Bruchbude am Stadtrand umsiedeln. Zu allem Überfluss ist Yato auch noch ein hoffnungsvoller Kandidat bei der Bürgermeisterwahl und steuert mit seinen dreist populistischen Parolen auf einen klaren Sieg zu.
Daisuke, der nun in der Welt keinen Platz mehr für seine altmodische Wenigkeit sieht, heckt zusammen mit seinem Knastbruder Taro einen Plan aus um sich an Yato zu rächen. Dieser umfasst unter anderem einen kleinen „Unfall” mit einen geradezu explosiven Schreibwarenartikel.
Kihachi Okamoto, bekannt unter anderem durch die auch hierzulande erschienenen Jidai Geki-Klassiker „Sword Of Doom” und „Kill!”, hat eine sehr vielseitige Karriere hingelegt. Er reiht sich nahtlos in eine Reihe junger wilder Regisseure ein, die als Jugendliche den Krieg überlebten und in den 60er Jahren das Samuraikino ideologisch gegen den Strich bürsteten, traditionelle Werte in Frage stellten und, mal aufrüttelnd, mal eher augenzwinkernd, die Absurdität und Unmenschlichkeit des kompromisslosen Bushido-Lifestyles aufzeigten. Im Zuge des Niedergangs der kommerziellen Filmindustrie ab mitte der Sechziger Jahre fand er dann regelmäßig zuflucht in der Art Theatre Guild, wo er ein größeres maß an künstlerischer Freiheit genoss. Seine Filmographie umfasst nicht nur die erwähnten, international beachteten Samuraiklassiker, sondern unter anderem auch einen ganzen Haufen überwiegend satirischer Kriegsfilme und harsträubender Gegenwartskomödien.
Einen der schrägsten Vertreter letzterer stellt der vorliegende „Aa Bakudan” dar. Eine geradezu stereotypische Yakuzageschichte entlädt sich nicht etwa in blutigen Gewaltorgien und großem Actionspektakel, sondern wird durch den Fleischwolf einer bis zum Anschlag ironischen Kabuki-Performance gezogen, angereichert mit ebenso unpassend erscheinenden Broadway-Musicaleinlagen und vielen weiteren Schrägheiten. Hier durfte sich offenbar ein Regisseur mal so richtig kreativ austoben und über alle Stränge schlagen. Wie zu erwarten ist das ganze an der Kinokasse ziemlich gefloppt.
Verständlich, denn über die gesamte Lauflänge mag der Film leider nicht so richtig zünden. In der zweiten Hälfte franst die Story merklich aus, und was das Potenzial zu einer bitterbösen Genresatire gehabt hätte, wandelt sich leider zu einer zu einer ziemlich richtungslos vor sich hin dümpelnden Slapstickrevue. Okamoto tappt eindeutig in die Egofalle und verfängt sich dazu noch in einigen Fallstricken der von ihm persiflierten oder zitierten Genres, deren Einsatz zunehmend zum Selbstzweck verkommt. Dass das ganze Chaos trotzdem noch gerade so auf allen vieren über die Zielgeraden zu kriechen vermag ist der großartig absurden performance von Yûnosuke Itô als abgewrackter Yakuza sowie einigen großartigen visuellen Einfällen und Gags zu verdanken, die dann doch immer wieder meine Aufmerksamkeit zurückerlangten, als die Story sie schon längst verloren hatte. Eine milde Enttäuschung also, aber wegen einer unvergesslichen ersten Hälfte trotzdem unbedingt eine Empfehlung für Fans der schrägen Filmkunst.
Wertung: 6/10
Ein Trackback/Pingback
[...] erste Hälfte, was dann trotz einer offenbar enttäuschenden zweiten Hälfte dennoch für eine Empfehlung [...]
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